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Interview mit Maler- und Lackierermeister Thorsten Gutsell zum Thema Ausbildung

Thorsten Gutsell ist Maler- und Lackierermeister mit einer klaren Vision, wie Ausbildung erfolgreich sein kann. Seit nunmehr 16 Jahren bildet der auch als stellvertretende Obermeister aktive Detmolder den künftigen Branchennachwuchs aus und ist dabei sehr erfolgreich. Bereits vier seiner Auszubildenden absolvierten die Gesellenprüfungen als Prüfungsbeste. Die Redaktion der Mitgliederzeitschrift des Maler- und Lackiererinnungsverbandes Westfalen sprach mit dem sympathischen Ostwestfalen über seine Gedanken rund um eine richtig gute Ausbildung, wie man den Nachwuchs motiviert und warum es wichtig ist, sich auch selbst aktiv mit einzubringen.

 

Format: Herr Gutsell, eine wichtige Frage vorab: Warum

ist der Malerberuf aus Ihrer Sicht der beste Beruf der Welt?

 

Thorsten Gutsell: Das ist tatsächlch so und dafür gibt es viele Gründe. Zum einen, weil wir sowohl die traditionelle als auch die technisch hoch moderne Handwerkskunst so wunderbar miteinander verbinden. In keinem anderen Beruf steht man an einem Tag an historischen

Fassaden, Wänden, Deckengemälden, Stuck oder Kulturgut im allgemeinen

und am Tag darauf realisiert man einen fugenlosen Designboden oder verarbeitet hochwertigste Tapeten. Wir reagieren als moderner Malerbetrieb gleichzeitig auf aktuelle Trends und sind dennoch Ansprechpartner für ein bodenständiges und altehrwürdiges Handwerk. Ebenso ist es der Umgang mit vielen Menschen, deren individuellen Ansprüchen wir gerecht werden möchten und deren wertschätzendes Feedback wir erfahren, das mich täglich mit Stolz erfüllt und genau das macht es doch aus. Auch die schnelle Entwicklung innerhalb unserer Branche, was Produktinnovationen angeht – auch wenn es um Nachhaltigkeit geht – machen den Charme des Maler- und Lackiererhandwerkes aus oder, um es mit Ihrer Frage zu beantworten, machen den Malerberuf zum besten Beruf der Welt.

 

Format: Gilt diese Wahrnehmung auch für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

 

Thorsten Gutsell: Absolut, unsere Mitarbeiter sind glücklich als Maler und Lackierer zu arbeiten und genießen dabei sämtliche Mehrwerte, die wir bieten. Sie erhalten Tariflohn, sind in unserem Betrieb durch Zusatzversorgung bestens abgesichert und selbst der Urlaub ist über die Urlaubskasse samt Urlaubsgeld klar geregelt. Das ist es übrigens auch, was wir unserem potentiellen Nachwuchs in den Bewerbungsgesprächen mit auf den Weg geben: Das Maler- und Lackiererhandwerk bietet Zukunft, Sicherheit, Perspektive, Kreativität und viel Abwechslung, denn das sind genau die Punkte, die junge Menschen begeistern. 

 

Format: Ist diese offensive Kommunikation über die Vorzüge im Maler- und Lackiererhandwerk auch ein Grund für das gute Abschneiden Ihrer Auszubildenden bei den Gesellenprüfungen?

 

Thorsten Gutsell: Vielleicht ein kleiner Teil davon. Aber vor allem ist es die Integration ins Team: Ich achte sehr darauf, dass der Auszubildende vom ersten Tag an ein fester Teil des Teams ist, auch was die Aufgaben angeht. Es kann also auch schon mal vorkommen, dass ein Auszubildender in seinen ersten drei Monaten Arbeiten erlernt, die erst für das dritte Lehrjahr vorgesehen sind – natürlich wird er dabei immer von einem erfahrenen Gesellen angeleitet. Wir führen die Auszubildenden schon früh an die besonders spannenden Aufgaben heran. Das steigert die Motivation und sind wir mal ehrlich, nur Schleifen, Aufräumen und Fegen, das füllt zwar den Tag eines Auszubildenden im ersten Lehrjahr, aber es sorgt nicht dafür, dass er oder sie sich als wichtiger Teil des Teams empfindet. Durch den regelmäßigen Austausch merke ich dann, wie Stolz die jungen Auszubildenden sind, wenn sie beispielsweise eine Wand selbständig gestalten durften. Ebenso unterstütze ich die Lehrlinge im schulischen Bereich. Wir schulen theoretische Themen aus der Schule bei uns im Betrieb und bieten unseren Azubis Seminare von Industriepartnern an. Des Weiteren lege ich großen Wert auf das analoge Berichtsheft. Hier fängt die Ausbildung bereits an. Je sauberer das Berichtsheft und die darin enthaltenen Aufgaben geführt werden, umso erfolgreicher ist die Ausbildung. Die Tages- bzw. Wocheneinträge werden mit den Azubis in der Rückschau besprochen und die Aufgaben auf den Rückseiten entsprechend den Anforderungen des jeweiligen Lehrjahres absolviert. Bei der Besprechung des Berichtheftes werden auch regelmäßig Brücken zu begleitenden Themen geschlagen wodurch der Lern- bzw. der Aha-Effekt enorm ist. Es kann übrigens auch schon einmal sein, dass ich mit einem Auzubildenden durch die Innenstadt von Detmold laufe und mein Wissen als Restaurator in Sachen Baustil und Epochen weitergebe.

 

Format: Mit dem Chef unterwegs? Das motiviert sicherlich enorm, aber wie motivieren Sie die Auszubildenden im Tagesgeschäft?

 

Thorsten Gutsell: Dadurch, dass die Auszubildenden bei uns Spaß an der Arbeit haben kommt die Motivation  von ganz alleine. Sie sollen schon in jungen Jahren die Wertschätzung für ihre Leistung erfahren. Es ist für mich auch ein Wechselspiel zwischen Aufnahme und Vermittlung. Wenn ich merke, dass der Azubi Interesse hat und diesen Beruf aus eigenem Antrieb erlernen will, bekommt er von mir und meinem Team absolut alle Möglichkeiten sich zu entwickeln. Mir ist es einfach wichtig, dass die jungen Menschen erfahren, dass Leistung und Ehrgeiz sich lohnen.

 

Format: Nun sind Sie ja nicht immer an der Seite Ihrer Auszubildenden, wie haben Sie sich für diese top Ausbildung die Gesellen mit ins Boot geholt?

 

Thorsten Gutsell: Die Gesellen erhalten von mir einen klar definierten Ausbildungsauftrag. Oft auch in Verbindung mit der Vermittlung der jeweiligen Ausbildungsziele. Letzten Endes wissen bei uns alle, dass man einen Weg – und das gilt auch für die Baustelle – am Besten gemeinsam geht. 

 

Format: Was empfehlen Sie anderen Unternehmern bzw. Ausbildern, die nicht so gute Ergebnisse erzielen?

 

Thorsten Gutsell: Das ist schwer zu beantworten, denn jeder Betrieb ist natürlich anders und hat eine eigene Philosophie. Was man tut, sollte immer zur Unternehmensidentität passen. Aber aus meiner Erfahrung ist es wichtig, alle auf dem Ausbildungsweg mitzunehmen, vom Auszubildenden selbst, über die Gesellen und – natürlich – auch der Unternehmer muss den Weg mitgehen. Es ist wichtig, sich mit alle Themen rund um die Ausbildung und mit dem Auszubildenden selbst auseinander zu setzen und zu wissen, was getan werden muss. Ich glaube, dass manche Betriebe den aktuellen Rahmenlehrplan nicht präsent oder verinnerlicht haben. Wenn dieser die Basis jeder Ausbildung wäre, wäre schon viel gewonnen.

 

Format: Was hat Sie denn an Ihrer eigenen Ausbildung (damals) am meisten gestört?

 

Thorsten Gutsell: Ich hatte bei der Auswahl meines Ausbilders das Glück einen sehr verantwortungsvollen Betrieb erwischt zu haben. Ich weiß aber durch meine Zeit als Lehrlingswart, dass viele Lehrlinge oft nur monotone Arbeiten ausführen. Dass dies natürlich nicht die Motivation fördert, liegt auf der Hand. Gleichermaßen ist es fatal, wenn ein Lehrling nach drei Jahren Ausbildungszeit seine Zukunft nicht, oder nicht mehr, im Malerhandwerk sieht, aus Sorge, die nächsten Jahre im Berufsleben werden so, wie die Ausbildung. Hier ist es wichtig, die Faszination für unseren Beruf stetig wiederzubeleben und die Leidenschaft wieder zu erwecken. 

 

Format: Was ist – losgelöst vom fachlichen Know-how – aus Ihrer Sicht das Wertvollste, das Auszubildende in einem Betrieb bzw. in der Ausbildung erlernen können?

 

Thorsten Gutsell: Junge Menschen entwickeln sich stetig weiter. Auch über die Ausbildungszeit hinaus. Wenn der Betrieb dazu beitragen kann, dass sich gewisse Werte, wie Teamwork, Zuverlässigkeit, Verantwortungsgefühl oder Begeisterung für das eigene Tun entwickelt, dann ist das schon großartig. Eine Ausbildung machen die meisten Menschen nur einmal im Leben und das auch, in den meisten Fällen, in jungen Jahren. Diese Zeit ist sicherlich auch prägend für die Zukunft und sollte zurückblickend als eine positive und lehrreiche Zeit in Erinnerung bleiben. Ich persönlich freue mich wenn die Auszubildenden von sich heraus auch über den „Tellerrand“ hinausschauen. Wenn ich mit den Lehrlingen durch die Stadt gehe und diese Stilelemente der Renaissance erkennen und interpretieren können, macht mich das sehr stolz.